Wie im vorherigen Kapitel berichtet, war 1899 ursprünglich eine Weiterführung der Straßenbahn von Habinghorst nach Henrichenburg geplant. Inzwischen waren über zehn Jahre vergangen. In der Aufbruchstimmung der Jahrhundertwende war das eine lange Zeitspanne, in der sich im Norden von Rauxel völlig neue Perspektiven ergeben hatte.
Ursächlich dafür war der Ausbau der Schachtanlage Victor. Sie hatte 1877 unweit der Kaiserstraße (heute Wartburgstraße) in Rauxel die Förderung aufgenommen. Ein zweiter Schacht wurde bis 1890 niedergebracht. 1973 wurde der Förderbetrieb eingestellt.
Zur Erschließung der nördlichen Grubenfelder wurden 1905 und 1907 in Habinghorst die Schächte Victor 3 und 4 in Betrieb genommen. Parallel dazu bereitete die Zechenverwaltung die Erschließung der Grubenfelder „Ickern“ und „Ickern Fortsetzung“ vor. Dies sollte über eine eigenständige Schachtanlage auf dem Gebiet der Gemeinde Ickern erfolgen, für deren Aufbau 1908 die Gewerkschaft Ickern gegründet wurde. 1910 ging diese in den Besitz des Lothringer Hüttenvereins Aumetz-Friede AG über. Die neue Inhaberin führte die Teufarbeiten für die Zeche weiter. 1912 ging Schacht Ickern 1 in die Förderung. Die 1914 um einen weiteren Schacht ergänzte Schachtanlage Ickern 1/2 blieb wie die Zeche Victor bis 1973 im Abbaubetrieb.
Für die Bergleute der neuen Schachtanlage Ickern 1/2 wurde parallel zu den Teufarbeiten der Abbauschächte eine weitläufige Siedlung errichtet. Binnen kürzester Zeit stieg die Zahl der Menschen, die in Ickern lebten, sprunghaft an.
Der Landkreis Dortmund fasste daraufhin den Entschluss, beim Ausbau des Streckennetzes den projektierten Bau der Strecke nach Henrichenburg zurückzustellen und stattdessen zunächst den Bau einer Straßenbahnverbindung von Habinghorst nach Ickern voranzutreiben.
Am 1. Februar 1911 konnte die Weiterführung der Strecke von Habinghorst bei zum Gemeindegasthaus in Ickern eröffnet werden. Ihr Streckenverlauf führte von Habinghorst über die Kronprinzenstraße (später Castroper Straße und heute Lange Straße).
Die ursprüngliche Streckenführung der Straßenbahn in Habinghorst und Ickern ist heute nur noch sehr schwer zu verorten. Zu sehr hat sich das Stadtbild durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und großzügige Verkehrsinfrastruktur verändert.
Ein Beispiel dafür dokumentiert das Titelbild dieses Kapitels: Es zeigt die nördliche Einfahrt in die Ickerner Dorfstraße im Jahr 1916. Auf der linken Seite befindet sich das ehemalige Gemeindegasthaus, rechts eine Buchhandlung und Zigarrengeschäft. Während das zweite Gebäude auf der rechten Seite heute noch vorhanden ist (Ickerner Straße 2), befindet sich an der Stelle des Gasthauses heute der Kreuzungsbereich der Recklinghauser Straße und der Ickerner Straße.
Nur wenige Meter weiter entstand östlich des Titelmotivs eine zweite Postkartenvorlage. Sie dokumentiert bereits die Fortsetzung der Straßenbahnstrecke zur Zeche Ickern 1/2, die ich im folgenden Kapitel im Detail beschreibe. Das Gebäude der Haushalts- und Eisenwarenhandlung (Ickerner Straße 8) wurde inzwischen aufgestockt. Die Postkarten aus der Sammlung von Manfred Lehnert befinden sich heute im Stadtarchiv Castrop-Rauxel. Der Verlag, der sie 1916 in den Umlauf brachte, ist nicht bekannt.